Das Licht im Spätherbst kann die Landschaft in surreale Klarheit tauchen und die Farben in größter Pracht leuchten lassen. Daneben wallt der Dunst im Tal, liegt und zaubert die Welt samtig weich. Die Natur hat ihr schönstes Kleid angelegt, und doch wird das Jahr müde und träumt seinem Ende zu.
Mit Hekate an unserer Seite treten wir jetzt ein in die dunkle Jahreszeit. Sie ist Göttin der Übergänge in neue Lebensphasen, in neue Richtungsentscheidungen, des Übergangs in das Älterwerden und in die Anderswelt. Oft wird sie mit der Fackel dargestellt, mit der sie uns den Weg ins Ungewisse erhellt. Sie ist eine eher dunkle Gestalt, aber voller tiefem Wohlwollen für die Menschen, und in ganz besonderer Weise für uns Frauen. Sie ist die Hüterin des magischen Wissens und von ihr lernen wir, dass wir für unsere Lebenskompetenz und die Bewältigung der Herausforderungen nicht Macht brauchen, sondern Weisheit. Auch dies ist in ihrem Symbol der Fackel dargestellt. An ihren Beinamen erkennen wir die Hilfestellungen, die sie uns geben kann: Sie hält das Böse fern, steht an den Wegkreuzungen unseres Schicksals, sie ist die Torhüterin, die Schlüsseltragende, die Führerin, Lichtbringerin, die Heilerin.
Wenn wir vor einem herausfordernden Übergang stehen, wenn uns die Dunkelheit, die uns umgibt, Angst macht, wenn wir uns bedroht fühlen von der Pandemie, von der Erderhitzung und der Rüstungsspirale, dann wenden wir uns – nachdem wir auf der sichtbaren Ebene das uns Mögliche getan haben – an Hekate. In diesem Jahr, in dieser Phase deckt sich der Prozess des Übergangs im Jahreskreis mit dem großen Übergang, in den wir als Weltgesellschaft hineingestellt sind. Wir erleben auch im Großen den Untergang der alten Ordnung, ohne dass schon das Neue am Horizont zu ahnen ist. Wir verbinden uns mit Hekate, stellen ihr eine kleine Gabe an all die symbolischen Übergänge im Alltag wie zum Beispiel, an Wegkreuzungen oder an Türschwellen hin, vergegenwärtigen uns den Wandel mit seinen Bedrohungen und seiner Hoffnung, und bitten sie um ihren Schutz und ihre Weisheit.
Am Ende des keltischen Jahres, zu Samhain, ist es eine gute Gelegenheit, sich von demjenigen absichtsvoll zu trennen, das wir nicht mehr brauchen. Hekate kann uns beim Loslassen unterstützen: Welchen Groll, welchen Zorn, welchen Frust – auch vielleicht auf mich selbst – brauche ich nicht mehr? Welche Illusion kann ich aufgeben? Ich finde draußen für jedes benannte Thema ein buntes Herbstblatt, entzünde eine (schwarze) Kerze auf dem Hausaltar und verbrenne das Blatt, zum Beispiel mit den Worten: „Liebste Hekate, XXX hat lange genug auf mir gelastet, ich nehme XXX jetzt weg von mir und gebe es an Dich. Nimm es an und verwandle es, und lass mich mit leichtem Herzen meinen Weg weitergehen.“
Ich visualisiere, wie sich mein Groll, meine Illusion im Rauch auflöst, nehme die Asche und streue sie in den Wind oder in fließendes Gewässer. Ich danke Hekate mit Worten, einem Lied, oder einem kleinen Tanz.
Avesta