unter einem Lindenbaum

Ein Erlebnis mit der Heilkraft der Linde

Bild: Bridget

Allein das Aussprechen „Linde“ erweckt in mir ein Gefühl von tiefem Frieden. Mit ihren herzförmigen Blättern ist die Linde eine der großen starken Bäume in unserer Landschaft. Sie strahlt Liebe und Heilung auf allen Ebenen aus.

In der warmen Sommersonne lehne ich an ihrem starken uralten Stamm, der unweit von einer kleinen Kapelle, einem Pilgerort im Elsaß steht. Mit ihr im Verbund stehen rund um diesen besonderen Platz einige sehr alte und auch junge Linden. Der Stamm von „meiner“ Linde ist so dick, dass ich sie alleine nicht umfassen kann und ihre ausladende Krone schenkt mir einen lichten angenehmen Schatten. 

Alles an der Linde ist heilsam, das spüre ich sehr deutlich und im Schutz von Uraltmutter Linde vertiefe und konzentriere ich die Gedanken auf mein Wirken zu meinem Übergangsritual zur Alten. In meiner Hand halte ich eine aufgeblühte rote Rose:  Ich löse ein Blatt nach dem anderen, lasse jedes Blatt unwiderruflich fallen – ich löse, ich lasse fallen, ich lasse los. Es ist mein erstes Übergangsritual zur Alten, kein Blut mehr, ein endgültiger Abschied von der fruchtbaren Phase und dem zyklischen Eingebundensein. Die Linde hört zu und tröstet mich, sanft bewegen sich ihre herzförmigen Blätter und raunen mir zu: „Bei mir bist du angenommen…“.  Zuversicht breitet sich in mir aus. Mein Rücken ist mit ihrer starken Energie durchflutet, die mich tief beruhigt. Ich fühle mich so nah bei ihr, in einem beschützten Raum liebevoll geborgen. Hier kann ich über mein Leben nachsinnen: Was habe ich erschaffen, ins Leben getanzt? Was war von Wert? Wo waren Hürden, wo falsche Wege? Was ist vergangen? Was darf leicht gehen? Was ist für immer verloren? Jeder Gedanke, jedes Loslassen ist ein Rosenblatt bis sie nach und nach alle um mich herum liegen, mein Abschied von der roten Zeit. Gehalten von Mutter Linde bleibe ich bei meinen Abschiedsgedanken, bin in Abschiedstrauer, betrachte die roten Blätter am Boden, atme … werde ruhig… Allmählich  breitet sich heilsame Stille in mir aus.

Aus dieser Stille heraus formt sich in mir eine Frage: „Mutter Linde, wo ist mein Weg, mein Platz im Reich der Alten?“ und Mutter Linde raunt: „Schau dich um! Sieh mich an!“

„Ja ich weiß, du bist alt und stark“, denke ich lächelnd und schaue an ihr hoch. – Doch plötzlich fällt mein Blick auf ihren uralten Stamm und dann auf den Boden rund um meinen Sitzplatz: Lauter junge Triebe, unzählige kleine grüne Äste mit zarten Blättern sprießen seitlich überall rund um meinen Sitzplatz aus dem Boden hervor. Wie konnte ich dies übersehen?

„Danke, danke, oh ja, du hast recht, es gibt noch vieles zu erschaffen, es ist nicht das Ende!“ Ich spüre, wie die Freude in mir Raum gewinnt, „Wir haben einige Jahre schon auf dem Buckel, doch überall ist auch neues Leben in dir und auch in mir!“ Gleichzeitig begreife ich, dass jedes der gefallenden Rosenblätter, die vor mir ausgebreitet auf dem Boden liegen, eine Erfahrung birgt, eine Weisheit, die mich hat reifen lassen, meine Lebensweisheiten liegen ausgebreitet vor mir.

„Liebe heilige Mutter Linde, danke für diese Erkenntnis, welch nährendes Weisheitsgeschenk von dir!“ Ich beginne zu summen, dann zu Singen, es ist ein Dankesgesang an Mutter Linde, ich stehe auf, umkreise sie, singe und danke für ihr Dasein.

Immer wenn ich an diesen magischen Moment zurückdenke, bin ich tief berührt und dankbar für ihre besänftigende Zuwendung, ihre Weisheit und das Angenommensein. Die natürliche Welt ist eine große Heilerin und es wundert mich nicht, dass hier an diesem besonderen heiligen Ort Linden stehen und viele Menschen noch heute hierher pilgern, um Trost und Heilung zu erbitten. 

Vielleicht gibt es in deiner Nähe auch eine Linde, die du besuchen kannst, um ihre liebevolle Ausstrahlung zu ergründen oder um „Linderung“ zu erfahren. Sie freut sich sicher auf dich.

Wissenswertes: Alles an der Linde ist heilsam

Die Linde ist ein Gemeinschaftsbaum, den wir oft auf Dorfplätzen finden. Unter ihrer sanften Atmosphäre wurde getanzt, gefeiert, sich ausgetauscht und zu früheren Zeiten das Recht, das „milde Urteil“ gesprochen. Ihre herzförmigen Blätter verkörpern Milde und Liebeskraft, die auf allen Ebenen lindert und unsere Herzen anspricht. Wenn wir etwas „gelinde gesagt“ ausdrücken, dann spricht unser Herz mit und dies geht besonders gut unter den großen alten Linden.

Im Frühling sind ihre zarten Blätter sehr schmackhaft für unseren Salat. Im Sommer sammeln wir die Blüten für Tee, der eine wunderbare Medizin bei Erkältung ist. Die Blütenblätter und die Rinde wirken fiebersenkend, entzündungshemmend und krampflösend. Die Lindenasche wirkt desinfizierend und wurde zum Zähneputzen verwendet. Unsere Vorfahren verwendeten den Bast der Linde, der sich direkt unter der Rinde befindet, um beispielsweise Seile und Bekleidung herzustellen.

Bridget